Erfolgreich sein wollen wir alle. Naja, die meisten von uns. Das ist auch kein Problem, denn die Buchhandlungen (bzw. Amazon), youtube und diverse Online Choachingangebote sind voll mit Ratgebern, wie ich garantiert erfolgreicher werden. Im Beruf, in der Liebe, beim Abnehmen, im Sport oder wo auch immer. Es gibt bestimmt auch ein Buch „Erfolgreiches Briefmarkensammeln“. Es würde mich zumindest nicht wundern. Jetzt könnte ich die Frage stellen: Warum ist es denn in unserer Gesellschaft eigentlich DAS große Lebensziel, erfolgreicher zu werden?? Warum reicht nicht auch mal der Status Quo? Die andere Frage ist aber: Funktionieren diese ganzen Tipps und Ratschläge eigentlich? Oder noch anders gefragt: Kann ich evtl. auch erfolgreich sein, obwohl ich nichts von diesen Tipps und Lebensweisheiten anwende? Ja, kann ich. Ich bin der Beweis. Hier kommt ein Teil meiner Geschichte.

Erfolgreich sein – kann ganz schnell zu Ende sein

Bevor ich Dir hier meine Geschichte oder besser, einen kurzen Abschnitt meines Lebens, erzähle, möchte ich kurz auf meinen Blogartikel auf meinem Blog HZaborowski hinweisen. In dem Artikel „Von tanzenden Employer Branding Feen und anderen Märchen“ hatte ich die gängige Praxis hinterfragt (und angeprangert), dass es in unserer Gesellschaft scheinbar vor allem darum geht, sich gut zu verkaufen. „Fake it till you make it“ ist eine von diversen Selbstvermarktungs-Gurus gerne gebrauchte Formulierung, die ich absolut ablehne. Ich will keine Trump Mentalität. Aber meine ganzen Gedanken dazu gibt es hier im besagten Blogartikel. In diesem Artikel fordere ich meine Leser auf, andere Geschichten zu erzählen. Andere als „Du kannst alles schaffen, wenn Du nur willst (und wenn Du es nicht schaffst, hast Du nicht genug gewollt!). Sehr schön auch „Mach was Du liebst, dann kommt der Erfolg von allein“ oder „Du musst nur fest an Dich und Deinen Erfolg glauben, dann schaffst Du es auch“.  Ich kann den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nicht bestätigen. Zumindest nicht in der Ausschließlichkeit, mit der sie vermittelt werden. Und hier bei HUMAN PLACE möchte ich diese anderen Geschichten erzählen. Vielleicht hast Du auch eine? Dann melde Dich gerne bei mir. Aber ich fange mal an. Mit einer meiner ganz persönlichen Geschichten.

 

Ich habe mich Ende 2013 selbständig gemacht. Nicht, weil ich das wollte. Meine erste Selbständigkeit, die ich krachend gegen die Wand gefahren habe, war mir noch gut vor Augen. Den finanziellen Druck, die schlaflosen Nächte, die Verzweiflung als Familienvater mit zwei Kindern wollte ich nicht nochmal. Worin ich aber keine Zukunft mehr sah, war eine Festanstellung. Ich hatte Anfang 2011 nach 5,5 sehr erfolgreichen Jahren beim letzten Arbeitgeber meinen Job gewechselt. Ich kannte das Risiko, wir wollten eine Personalberatung „von Null“ aufbauen. Aber das traute ich mir zu. Ich strotze vor Selbstbewusstsein aufgrund der Erfolge der jüngsten Vergangenheit. Außerdem brauchte ich „was Neues“, eine Veränderung. Ich wollte nicht weitermachen wie bisher. Was ich nicht wusste war, wie wenig Zeit wie für den Aufbau hatten. Zum Ende der Probezeit mussten wir das Projekt mangels Erfolg und Finanzen einstampfen. Das war hart, aber es war mir vorher bewusst. Trotzdem kämpfte ich natürlich mit meinen Zweifel, weil auch ich nicht an meine vorherigen Erfolge anknüpfen konnte. Statt einer direkten Kündigung wurde mir ein anderer Job in Aussicht gestellt, den ich mal zwei Monate probeweise machen sollte. Und das lief so gut, dass ich vor Weihnachten eine mündliche Jobzusage bekam. Der Vertrag sollte im Januar kommen. Der kam aber nicht, sondern stattdessen plötzlich ein Kündigungsgespräch. Das traf mich tatsächlich völlig unvorbereitet und war ein echter Schock. Rückblickend kann ich die Entscheidung meines damaligen Arbeitgebers absolut nachvollziehen, das halbe Unternehmen wurde aufgrund geänderter Marktsituation umgebaut. Das war mir zu dem Zeitpunkt aber nicht bewusst.

 

Ich nahm dann ein Angebot von einem meiner Kunden an, der mit mir „langfristig eine Recruitingmaschinerie“ aufbauen wollte. Nach einem Jahr kam allerdings der Anruf: „Du rechnest Dich kurzfristig nicht„. Eine Woche später haben wir uns getrennt. Hinterher äußerte mein Chef sein Bedauern über die Entscheidung, aber da war der Drops gelutscht. Und da war ich nun, quasi mit drei Kündigungen in drei Jahren und mit einem völlig zerstörten Selbstvertrauen. Keine gute Basis für eine Selbständigkeit, oder? So sah ich das auch. Aber was ich noch weniger wollte, waren Vorgesetzte, die einfach über meine Zukunft entscheiden. Jobgarantie? Das Wort war nach den Erfahrungen aus meinem Vokabular gestrichen.

 

Erfolgreich sein – trotz Paranoia

Also machte ich mich selbständig. Mit einem Existenzgründungszuschuss vom Arbeitsamt und einem Existenzgründungskredit von der KfW. Und der klaren Entscheidung, kein operatives Recruiting und keine Personalberatung mehr zu machen (warum ich davon die Nase voll hatte, ist wieder eine ganz andere Geschichte). Das Problem, wie erwartet: Das erste 3/4 Jahr keine Aufträge. Das Geld neigte sich dem Ende zu, da kam endlich mein erstes Projekt. Als: operativer Interim Recruiter. Was ich nicht mehr machen wollte. Aber ich brauchte das Geld (jung war ich nicht mehr ;-)). Meine erste Rechnung wurde bezahlt, als noch 2.000 Euro vom Kredit über waren. Einen Monat später hätte ich Hartz4 betragen müssen. Es war eine Punktlandung. Nach diesem Projekt folgten weitere. Kleinere Projekte mit einem Tagessatz, der nicht wirklich reichte. Es war immer finanziell knapp, parallel gab es einen mittelschweren Krankheitsfall in der Familie, der mich auch privat forderte. Was aber viel entscheidender für diese Geschichte ist: Ich zeigte inzwischen paranoide Züge! Ich rechnete jeden Tag damit, dass meine Kunden die Zusammenarbeit von jetzt auf gleich beenden werden. So hatte ich es ja in meinen vorherigen Jobs erlebt. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich war ein nervliches Wrack.

 

Auf die Frage, wie es mir geht, wollte ich immer mit „gut“ antworten. Aber ich konnte es nicht! Wie automatisch setzte ich immer ein „eigentlich“ davor. Selbst im Moment des Aussprechens wollte ich es bewusst verhindern, aber ich konnte nicht. Das Wort „eigentlich“ kam immer mit raus. Denn genau so fühlte ich mich auch innerlich: Objektiv gesehen ging es mir gut. Ich hatte ein Projekt, konnte meine Brötchen bezahlen, der Kunde war zufrieden. Aber innerlich rechnete ich jeden Tag tief und fest damit, dass in der nächsten Sekunde irgendjemand kommt uns sagt „So, Henrik, vielen Dank. Dein Vertrag läuft zwar eigentlich noch, aber wir brauchen dich nicht mehr/uns gefällt deine Leistung nicht“. Ich bin auch in jedes Akquisegespräch reingegangen mit dem Denken: „Das Projekt schaffst du eh nicht. Das wird eine Katastrophe. Und dann bricht der Kunde ab und will sein Geld zurück. Das beste ist, du lässt es einfach.“ Aber auf der anderen Seite brauchte ich ja die Kohle. Und ich habe die Projekte auch immer bekommen UND meine Kunden waren immer zufrieden mit meiner Leistung. Ich habe Jahre gebraucht, um mental mal wieder positiver in die Zukunft zu schauen. Wie es dazu kam, ist einen eigenen Blogartikel wert.

 

So, und jetzt ist doch die große Frage: Wie hat dieser psychisch kaputte Zaborowski es geschafft, so lange zu überleben und inzwischen sogar ein Team von vier MitarbeiterInnen aufzubauen? Wo doch alle Welt behauptet, der Erfolg kommt mit dem positiven Denken!!! Mit dem „groß träumen“. Mit den Visionen! Naja, die hatte ich ja. Nur in die andere Richtung ;-).

 

Naja, die Antwort ist so alt wie die Wirtschaft: Es ist alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Ich wollte kein operatives Recruiting mehr machen, sondern Unternehmen beraten, selber im Recruiting besser zu werden. Dafür gab es 2014 aber noch keinen Markt! Wohl aber für Interim Recruiting. Also habe ich das dann doch gemacht. Und ich kann den Job ja auch (sehr gut). Und aufgrund meiner Leistung (und weil ich ein Netter bin), wurde ich weiterempfohlen. Und natürlich half mir auch meine Sichtbarkeit durch meine Blogartikel. Aber deutlich weniger, als viele Menschen denken. Klar, ich hätte besser starten können. Mit mehr Selbstbewusstsein hätte ich evtl. ein höheres Honorar verhandelt bekommen. Aber das Selbstbewusstsein hatte ich nicht. Ich „lebte“ tatsächlich davon, dass ANDERE mehr von mir hielten als ich von mir selbst. Und jemanden als Unterstützung im Recruiting suchten. Tata! So entstehen Projekte & Aufträge. Das ist der ganze Trick! Angebot und Nachfrage – und dann natürlich auch einen guten Job machen! Und dann, mit der Zeit, kamen auch die Anfragen für Beratungsprojekte! Aber das hat Jahre gedauert!

 

Inzwischen bin ich selbstbewusster. Ich kann meine Leistung besser einordnen. Ich weiß aber auch sehr gut, dass ich an vielen Stellen richtig Glück hatte! Leistung kann ich nur zeigen, wenn mir auch die Möglichkeit vom Anderen dafür gegeben wird. Und ich kenne etliche Geschichten, wo Menschen diese Möglichkeit nicht bekommen haben. Und dann machst Du auch nix! Das ist so! Alles andere wäre Magie! Und an die glaube ich nicht. Ok, es gibt noch eine andere Möglichkeit: Du behauptest einfach ganz fest und doll, etwas zu sein, zu können oder zu haben, was andere unbedingt brauchen. Und schaffst über Angst oder Suggestion eine Nachfrage. So funktioniert Marketing. So funktioniert unsere Wirtschaft. Unsere Welt ist voll von Dingen, die wir eigentlich nicht brauchen. Darum müssen uns die Anbieter einreden, dass wir sie brauchen. Sowas kann ich aber nicht. „Kann nicht“ heißt in diesem Fall: Das bekomme ich für mich mental / moralisch nicht hin. Ich weiß, wie es geht. Aber in meinem Innersten will ich das nicht. Vielleicht muss ich damit mal in die Therapie …?

 

So, das war ein kleiner Ausschnitt aus meiner „Lebensgeschichte“. Wer meinen HUMAN PLACE Onlinekurs zur beruflichen Orientierung und Jobsuche oder meinen HUMAN PLACE Podcast kennt, der weiß schon etwas mehr von mir. Denn in diesem Kurs und Podcast erzählen ich viele Geschichten aus meiner eigenen Karriere, die einige Auf’s und Ab’s hatte.

Was ist mit Dir? Welche Geschichte kannst Du erzählen, die den Marketingsprüchen der Selbstverwirklichungs-Gurus und Verkäufern widerspricht? Schick sie mir – oder lass uns einen Podcast dazu machen! Ich würde mich freuen, von Dir zu lesen oder zu hören.

Dir weiter alles Gute und herzlichen Gruß,

Henrik